Text + Fotos: Gudrun Steinmill-Hommel
Tozeur, ein blühendes Paradies, mitten in der Wüste, die schönste Oase Tunesiens, am Tor zur Sahara. Aus einer öden Wüste in eine saftige Landschaft einer Oase einzutauchen, ist ein einmalig magisches Erlebnis. Was eben noch trist erschien, leuchtet jetzt im klarsten Blau über tausenden von Dattelpalmen. Dieses Grün der Blätter, die Aprikosen- und Orangenbäume mit ihren prallen Früchten, meine Augen genießen die Farben. Im Kontrast dazu, die silbrig schimmernden Bewässerungskanäle in den Oasengärten, die, die wichtigsten Wasserquellen, in der Wüste, darstellen. Und plötzlich wird die Luft erträglich und zum Luxusartikel.
In Richtung Süden breitet sich eine vollendete Wüstenlandschaft aus. Der Norden und Südosten wird von kahlen zerklüfteten Bergketten eingefasst. Dazwischen die 200 Kilometer breite Salzsenke des Chott el Kjerid, ein Salzsee, ein Hitzekessel. Am nordwestlichen Rand erheben sich Oasen, wie grüne Inseln in einem staubig-gelben Sandmeer, und in der glühenden Sonne gedeihen die köstlichsten Datteln von Tunesien, die „Degelt en Nour“, auch die „Finger des Lichts“, genannt, eine köstliche Spezialität unter Dattelfreunden.
Diese köstliche Frucht, in einer wunderschönen Schale drapiert, empfängt uns im märchenhaften Hotel. Wie ein Traum aus 1001 Nacht. Marmor, Gold, bunte Mosaiken, eine maurische Pracht, ein breites Himmelbett, wie auf einer Hochzeitsreise, ein riesiger Raum in einem Palast. Meine ganzen Vorurteile schmelzen dahin, als mein Mann mir diese Urlaubsidee vorschlug: „Weihnachten in der Wüste, fällt dir nichts Schöneres ein?” Und gerade, weil ich das Meer doch so liebe, fällt die Entscheidung mir schwer. Nach langer Überlegung reagiere ich, unter einer Bedingung gehe ich auf den Vorschlag ein, „nur wenn Du mit mir auf einem Kamel reitest.” Mein letzter Versuch ihn vom Wüstentrip abzuhalten, doch er willigt er ein.
Nach einem erfrischenden Bad im Swimmingpool sind wir fit für einen Bummel durch Tozeur. Die Altstadt Ouled el Hadef, mitten ins Getümmel einer arabischen Welt zieht es uns, das Rot, Weiß und Schwarz der Sefsrai, mit denen die Frauen sich verhüllen, zwischen exotischen Düften. Ornamente von symmetrischer Schönheit, kleine Läden mit Tüchern, bunten Teppichen, Krügen, Töpfen und Gewürzen kommen uns nur so entgegen. Mein neugieriger Blick fällt auf ein Kamel, das von einem jungen Mädchen mit bunten Tüchern geschmückt wird, und dessen Fell mit Henna gefärbt wurde, in der Hoffnung, auf diese Weise bald ihren Märchenprinzen zu finden. Männer mit Turban, Frauen mit Schleier, schattige Gassen, schmale Gänge, kleine Fenster, runde Torbögen, dunkle Nieschen, dazu Flötenmusik und der Rauch der Wasserpfeife. Eine magische Atmosphäre, ich genieße meinen Pfefferminztee und lasse die Umgebung auf mich wirken.
Die Ruhe ist es am nächsten Nachmittag vorbei, die erste Expedition in die Wüste. Der Reisebegleiter fährt den Rancheroover über Asphalt, Schotter und unebenen Sandpisten, Richtung Oung Jemel. Nur Filmfans und wir wissen, dass in Oung Jemel das Zeltlager der Almasy-Expidion stand, denn wir sind auf den Spuren des „Englischen Patienten“. Der weltberühmte preisgekrönte Kinofilm, rund um Tozeur wurde er gedreht und in unserem Hotel Palm Beach Palace wohnten die Hauptdarsteller Kirstin Scott Thomas und Ralph Fiennes.
Vier Tage liegen vor uns, um die Drehorte zu besuchen. Die Füße versinken im feinen Sand. Zinnoberrot geht die Sonne hinter den Sanddünen unter. Schon kurze Zeit später leuchten die Sterne hoch über uns, es ist so ruhig, dass man das Flirren der Luft hört. Betört von der Exotik, von der Weite, der Stille um uns herum, entfernen wir uns vom Quatier. Ein aufgebautes Berberzelt, durch Kerzenschein beleuchtet, dort schlafen wir heute Nacht. Unser Fahrer Habib hat in der Zwischenzeit ein Lagerfeuer entzündet, und serviert uns grünen Blattnußsalat mit Datteln und Couscous, herrlich, unser Weihnachtsmenü. Nach dem Essen wird es musikalisch, mit Flötenmusik rundet Habib das romantische Ambiente ab, noch einmal schaue ich in den Sternenhimmel und suche den Stern von Bethlehem, dann begleiten uns die wunderschönen Klänge in die Träume.
Sidi Bou Hellal ist einfach phantastisch. Die rote sandige Felsschneise, die dem Kinofilm solchen emotionalen Ausdruck verlieh, erdrückt mich fast. Ein trostloses, fazinierendes Wüstengebirge, Erinnerungen an den Film tauchen auf. Die gespannte Stille im Kino, mischt sich mit Bildern vor Ort, von den Kulissenresten breche ich mir ein Stück Erinnerung ab. Dann geht es weiter mit dem 1984 restaurierten Nostalgiezug „Le Lézard Rouge“, von Tozeur nach Metlaoui, genießen wir den Trip, er fährt hoch in die Seldja-Schlucht. Die Legende sagt, ein Berberprinz war mit seiner Geliebten auf der Flucht, als eine Gebirgswand den Weg versperrte, griff der junge Held zum Säbel, um sie zu spalten. „Coup de sabre“, Säbelhieb, so heißt die engste Passage der 15 Km langen Schlucht, von dort oben entdeckt man nur eine menschenleere Landschaftebene.
Bei der Wanderung durch den Canyon, erkärt Habib, dass wir uns über dem Meeresboden befinden, kaum zu glauben. Überall liegen Muscheln, die das Meer von Millionen von Jahren hinterlassen hat, und damit ein ganzes Bergmassiv bildet. Was für eine Hitze über dem tückischen Sumpf, unser Fahrer fährt auf dem befestigten Damm über den großen Salzsee “Chott el Djerid”. Rechts und links glitzern die großen Salzkristalle, wie Diamanten, auf der Kruste des vertrockneten Sees. Auf breiter Straße, mitten in einem Trockengebiet, das sich nach Regenfällen in einen riesigen See verwandelt, taucht in der Ferne eine Geisterstadt auf, die ich bis dahin nur im Film oder auf Fotos gesehen habe. Es ist so heiß, daß meine Lippen brennen, „die armen Arbeiter, die einmal diese Piste ins Chott bauen mussten, ich empfinde große Hochachtung, ob die das überlebt haben?“
Endlich zurück nach Tozeur, wir freuen uns auf unseren Palast aus 1001 Nacht, meine Glieder sind schwer und müde von den Strapazen. Mein Herz ist erfüllt von aller Naturschönheit und Eindrücken. Erschöpft liege ich auf unserem geliehenden Himmelbett, und lasse mich von meinem Prinzen mit frischen Datteln verwöhnen. So schnell sind die Tage vergangen. “Moment mal”, da war doch noch was, „wenn wir das nächste Mal hier wieder Weihnachten feiern, reite ich ganz bestimmt mit dir auf einem Kamel“